Einige Schlagworte begegnen einem momentan immer häufiger.

Dazu gehören Worte wie die

Myofasziale Dysfunktion

die sich bei Nichtbeachtung bis hin zu einer Trageschwäche oder gar Trageerschöpfung ausweiten kann.

Für das bessere Verständnis habe ich euch ein paar Folien aus meinem Online Workshop: ” Mach dein Pferd fit” mitgebracht
Wir beginnen mit der Begrifflichkeit, was myofaszial überhaupt bedeutet.

Myofasziales System Pferd

 

Dorsale Rückenlinie Faszien Pferd Myofaszale Dysfunktion

Quelle: Shutterstock Künstler: SciePro

Bitte stellt euch in der Praxis die Linien nicht  als zweidimensionale Linien, die außen am Pferdekörper verlaufen, vor, sondern als dreidimensionale Verbindung der Muskulatur, die sich auch durch das Innere des Körpers arbeitet.

Der Gedanke an ein von außen verschnürtes Paket, mit Verschnürungen im Innenleben, welche sich mehrfach kreuzen, begegnen und miteinander agieren könnte eine gute sinnbildliche Vorstellung sein. Oder aber auch diese Vorstellung hier. Ein dreidimensionales Spielgerät, wie wir es auf vielen Spielplätzen finden können, welches eine äußere Hülle hat, aber auch im Innenleben miteinander vernetzt ist. Die myofaszialen Linien verlaufen darin, begegnen sich, kreuzen sich und arbeiten miteinander. Eine Bewegung, die an einer Stelle des Netzes angeregt wird, wird auch an einer anderen Stelle spürbar sein. Als Vorstellung kann man mehrere spielende Kinder auf diesem Gerät haben. Wenn ein Kind an einer Stelle wackelt oder schaukelt, werden alle Kinder, egal wo sie sich gerade im Gerät befinden das zu spüren bekommen. Ob diese dann ihr Gleichgewicht noch halten können oder nicht, hängt von der Intensität der Bewegung und der Gesamtstabilität des Netzes und der Balancefähigkeit der Kinder ab.

Copyright/ Quelle Shutterstock Künstler: Inc

Aber, auch wenn es auf den ersten Blick wild und ungeordet aussieht, ist das Ganze in myofaszialen Linien organisiert. Die Linien wurden aus der Humanforschung übernommen und aufs Pferd übertragen. Wenn man es also genau nimmt, finden wir diese genauso im Mensch, wie auch im Pferd und wenn ein Mensch auf dem Pferd sitzt verschmelzen zwei myofasziale Systeme miteinander. Ein harmonisches Zusammenspiel beider herzustellen ist die Kunst des Reitens.

 

 

Myofasziale Linien

Copyright Pferdephysio Kaupp

Während sich die Verbindung auf dem oberen Bild hauptsächlich über die Aussenhülle des Pferdes ziehen, sind es die Linien auf dem unteren Bild, die sich im Inneren des Pferdes mehrfach kreuzen und sich dort miteinander vernetzen. Am Ende arbeiten alle Linien an einem gemeinsamen Ziel, nämlich das Pferd in seiner kompletten Körperfunktion zu unterstützen , bzw. Funktionen zu ermöglichen und aus einer Hülle und einer großen Kiste aus Einzelteilen ein zusammenarbeitentes und funktionierendes System zu machen.

Das Verständnis für das System

oder wenigstens die Grundlagen der myofaszialen Verbindungen verstanden  zu haben ist die Voraussetzung dafür, dass man Zusammenhänge im Pferd besser nachvollziehen kann.
Denn dadurch, dass sich die Linien wie ein dreidimensionales Spinnennetz durch den Körper ziehen, Faszien jede Struktur umhüllen, begleiten, schützen und bewegen haben die faszialen Verbindungen eine immense Kraft und Wirkung, die sich auf dem gesamten Körper und das Körperinnere auswirken kann und wird.

 

Hat mein Pferd eine Dysfunktion?

Pferdebesitzer sind oft erstmal irritiert, denn Worte wie Schwäche, Dysfunktion oder gar ganz drastisch, Erschöpfung, möchte natürlich keiner gerne im Zusammenhang mit seinem Pferd, welches vielleicht aktuell sogar erfolgreich im Sport läuft, hören.
Aus diesem Grund wollen wir uns heute einmal mit den Begriffen beschäftigen, nicht zuletzt, weil ich den Begrifflichkeiten etwas den Schrecken nehmen und aufzeigen möchte, das dies keineswegs dauerhafte K.O. Kriterien für ein (Reit)pferd sind. Es ist aber wichtig und möglich,  eine beginnende Einschränkung bei seinem eigenen Pferd rechtzeitig zu erkennen und somit sein Pferd aus einer Dysfunktion zu holen oder es gar nicht erst hineinfallen zu lassen.
Nichtsdestotrotz muss man sich natürlich im Klaren darüber sein, dass ein Pferd, welches in einer ausgeprägten Trageschwäche oder gar Erschöpfung hängt nicht in der Lage ist, sich selbst zu tragen, das heißt seinen eigenen Körper funktional aufzuspannen und zu kontrollieren.

 

Es ist selbsterklärend, dass man so ein Pferd nicht reiterlich fordern kann, sondern es funktional aufbauen muss, bis es aus diesem Zustand heraustrainiert wurde.
Ich möchte euch das gerne am Beispiel eines Ausbildungspferdes zeigen, welches 6-jährig angeritten zu mir kam. Diese ausgeprägte Trageschwäche hat man ihm im Gesamten so gar nicht angesehen ( auch, wenn man das kaum glauben mag.) Erst, wenn man z.B. Videos in Zeitlupe anschaut oder einzelne Bilder herausschneidet, wird man das gesamte Ausmaß erkennen.
Zu Anfang wirkte er zwar noch etwas unbeholfen und schwammig, aber in diesem Stadium denkt man ja immer, man könnte es über das Reiten und den Muskulatur,- und Kraftaufbau lösen. Wenn es dann aber im Zuge der Ausbildung zu Rittigkeitsproblemen kommt, muss einem spätestens klar werden, dass wir hier nicht von pubertären Verhalten, Unlust zu arbeiten oder Verhaltensstörungen reden, sondern von einem ernsthaften körperlichem Problem, welches wir unbedingt lösen müssen.
Dieses Pferd wurde erst komplett klinisch gecheckt, bevor es in den körperlichen Aufbau vom Boden aus ohne Reitergewicht ging.
8 Monate später wird das Pferd wieder normal geritten und befindet sich nun 8-jährig auf dem Niveau eines ca. 5-jährigen Pferdes, zeigt aber keine Rittigkeitsprobleme mehr und die damals entstandenen Magengeschwüre sind nachweislich ausgeheilt.

 

Trageschwäche Myofasziale Dysfunktion Pferd

 

Dysfunktionen kann jedes Pferd haben

Mit diesem Beispiel  möchte ich auch  mit dem Mythos aufräumen, dass nur alte, kranke oder untrainierte Pferde an muskulären Ungleichgewichten leiden. Denn er war ein völlig normales junges, aber wenig gearbeitetes Pferd mit einem weichen Bindegewebe (hypermobil) und einem sehr niedrigen Muskeltonus (hypoton) und diese Art von Pferden begegnen uns mit fortschreitender angezüchteter Elastizität und Mobilität der modernen Reitpferde immer öfter. Das hießt, jeder Pferdebesitzer wird sich wohl in Zukunft mit diesem Thema auseinandersetzen müssen, denn das Management unserer Hochleistungssportler hat sich einfach in den letzten 20 Jahren verändert und wenn man sich hier nicht einfühlt, wird man evtl. ein böses gesundheitliches Erwachen seines vermeintlichen “Montagspferdes” erleben. Denn dieses ist eben kein Einzelfall mehr, sondern wird immer mehr zur Normalität werden.
Ich selbst habe auch ein trageschwaches Pferd im Stall stehen, der mit dem für ihn optimierten Management inzwischen S-Springen geht. Wenn er aber für eine Zeitlang nicht im Training ist, oder nicht seinen Bedürfnissen entsprechend trainiert werden würde, wäre die Trageerschöpfung der Weg in den es automatisch gehen würde. Das alles nicht, weil jemand etwas falsch macht, sondern, weil es seine Veranlagung ist ( Weich gefesselt, lange, weiche Muskulatur, Gebäude im deutlichen Rechteckformat, und einer Unfallverletzung die zu einer deutlichen Schiefe führt.)

Warum “funktioniert” das Pferd nun aber trotz eigentlich schon vorhandener Dysfunktion?

Als Fluchttier ist es jedem Pferd angeboren, Schwächen zu kompensieren und möglichst nicht zur Schau zu stellen. Denn in der Natur wäre das der sichere Tod gewesen. Zudem können Pferd sich uns nicht über Schmerzlaute oder Jammern, wie es der Mensch machen würde, mitteilen, sondern sie arbeiten weiter. Rittigkeitsprobleme, mit denen Sie uns anzeigen würden, dass etwas nicht rund läuft, werden gerne mal weggewischt und überritten oder gar mit: ” Der hat nur keine Lust” abgeschmettert und so wird das Pferd sich mehr oder weniger seinem Schicksal fügen und weiterlaufen so gut es eben geht oder im schlimmsten Fall für den Menschen unreitbar oder (dauerhaft)  krank oder verletzt sein. Viele der Montagspferde müssten keine sein, wenn man den körperlichen Gegebenheiten etwas mehr Beachtung schenken würde. Aber es ist ja irgendwie schon normal geworden, dass alle Pferde irgendwie immer etwas haben. Diese Normalität sollte in den Ställen keinen Einzug halten, sondern wir Menschen müssen anfangen zu überlegen, wie wir dem entgegensteuern  können. Für uns – und für unser Pferd.

 

Warum kommen Verletzungen dann aber von heute auf morgen?

Ein Pferd kann häufig über lange Zeit muskuläre Ungleichgewichte ausgleichen, es hat ja schließlich genügend Strukturen, die statt der einen, die vielleicht gerade außer Funktion ist, den Job übernehmen kann.

 


Muskulatur Pferd

Copyright: Shuttestock Künstler: Scie Pro

Wir können uns das vorstellen wie in einer Firma in der ein oder mehrere Mitarbeiter ausfallen.

Für kurze Zeit können andere deren Job übernehmen, aber je länger der Mitarbeiter fehlt, oder je mehr davon fehlen, desto unmöglicher wird es für den Rest das System rund am Laufen zu halten.
So ungefähr läuft das im Pferdekörper auch.
Eine Muskelgruppe ist verspannt und nimmt sich eine Auszeit.  Eine andere Muskelgruppe springt ein und übernimmt den Job mit.
Wird die Ausfallzeit der ursprünglichen Muskelgruppe kurz gehalten, wird das System keinen Schaden nehmen und es geht bald wieder seinen normalen Gang. Das kann der Körper schon mal kompensieren.
Wird aber nichts gemacht und die Muskelgruppe bleibt weiterhin im Urlaubsmodus, müssen die Muskeln, die den Job eigentlich gar nicht können den Job der Faulenzertruppe mit übernehmen. Und hier beginnt die Problematik.
Muskeln, die gar nicht für den Job gemacht sind, den sie gerade ausführen sind überfordert, die Urlauber kommen gar nicht wieder, weil sie denken, dass sie nicht mehr gebraucht werden ( meinen Job macht ja jetzt ein anderer) und das System wird leiden.
Muskulatur, die dauerhaft nicht gebraucht wird wird sich unweigerlich zurückbilden. Sie wieder aufzubauen nimmt eine lange und gründliche Antrainierzeit in Anspruch. Deshalb sollte man drauf achten, dass man grundsätzlich für ein ausgeglichenes Arbeitsklima mit genügend motivierten Mitarbeitern im Pferdekörper sorgt.

Nach dem Leiden kommt der Verletzungsmarathon

Vom Prinzip – wir beginnen bei einer kleinen Störung, der beginnenden myofaszialen Disfunktion, die sich zu einer Trageschwäche, im schlimmsten Fall bis zu einer Trageerschöpfung entwickeln kann.
Wenn wir die Anfänge nicht lösen und das System einfach immer weiterlaufen lassen wird sich die Störung  zu einem ausgewachsenen Problem entwickeln. Je mehr Strukturen unter Zugzwang geraten, desto weiter wird sich die Problematik ausbreiten, bis auch das widerstandsfähigste Pferd in einen Zustand gerät, der nicht mehr kompensierbar ist.
Und das ist dann der Moment, in dem “plötzlich” “wie aus dem Nichts” eine Verletzung passiert.  Den Weg vorher, auf dem wir genügend Anhaltspunkte gehabt hätten, um zu merken, dass etwas im wahrsten Sinne des Wortes schief läuft, vergessen wir leider sehr oft. Bei genauem Nachdenken merken wir aber meist selbst, dass die aktuelle Verletzung sich schon längst angekündigt hatte. Denn das Fass füllt sich so lange bis der berühmte kleine Tropfen kommt, der das Fass zum Überlaufen bringt.  Dies gilt natürlich nicht für Unfälle und dergleichen aber eben für Verletzungen wie Sehnen, -Fesselträgerschäden, Arthrosen, Hufgelenksentzüngungen usw ( sofern nicht Unfall oder genetisch oder anatomisch bedingt)
Oft ist das der (lange) Weg  in die Trageerschöpfung, der in den meisten Fällen aber auch vermeidbar gewesen wäre, hätte man früher und genauer hingeschaut.

Die Trageerschöpfung

als solches ist aber nicht nur unschön anzusehen ( wenn wir den Zustand erreicht haben sieht ihn jeder), sondern schon der Weg dorthin hat mit Sicherheit schon zu der ein oder anderen Problematik geführt.
Denn ein überlastetes System kommt nicht ohne Schäden davon.
Unsere Schäden auf dem Weg der myofaszialen Dysfunktion sind vor allem in den aus der Trageschwäche resultierenden Überbelastungserscheinungen zu finden, die sich z.B. in
  • Sehnen / Fesselträgerschäden
  • (Huf)gelenksentzündungen
  • Arthrosen
  • wiederkehrenden Lahmheiten
  • Kissing Spines
  • Muskelatrophie
  • Huffehlstellungen
  • aber natürlich auch in Funktionseinschränkungen der Organe, die sich widerum in
  • Stoffwechselproblemen ( Schlechte Hufe, glanzloses, sprödes Fell, Stichelhaare, die nicht genetisch bedingt sind, schlechter Allgemeinzustand)
  • Verdauungsproblemen
  • Magengeschwüren
  • usw…..
  • äußern können
und weiteren Problemen, die wir erstmal in keinen Zusammenhang bringen könnnen.
Denn eins ist logisch. Rund 600kg, die in einer Fehlbelastung mit Schwung auf das Fundament fallen, können auf Dauer nicht ohne Folgen für das Pferd bleiben und Stoffwechselstörungen werden auf Dauer zu einer Fehlfunktion der Organe führen.

 

Aus diesem Grund

ist es mir als Therapeut so unheimlich wichtig, dass Pferdebesitzer sich mit den theoretischen Grundlagen um das myofasziale System und die Tensegrität im Training des Pferdes beschäftigen und in Grundzügen die Zusammenhänge verstehen können.
So werden meine physiotherapeutischen Behandlungen und auch das nachfolgende Training viel effektiver werden und das Pferd wird sich im Gesamten wohler fühlen können.
Denn wir immer greift hier eins in das andere über

Mit dieser Grafik möchte ich den heutigen Beitrag beenden und auf meinen Online Workshop  -Mach dein Pferd fit – verweisen, in dem ich auf 170 Seiten Skript die Zusammenhänge im Pferd erkläre und mit 17 Anwendungsvideos Lösungsmöglichkeiten im Stand und in der Bewegung aufzeige. Lasst euch von mir gerne mitnehmen in die faszinierende Welt des Pferdekörpers  unter dem Fell.

 

 

 

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